Leipziger Volkszeitung vom 10. Oktober 2001



Hermanni erhebt schwere Vorwürfe gegen Staatsanwalt
Ex-bfb-Chef spricht von Zeugen-Manipulation

Leipzig. Am gestrigen zweiten Prozesstag im Fall Matthias von Hermanni war die Staatsanwaltschaft weitestgehend zum Schweigen verurteilt. Es war der Tag des Hauptangeklagten. Und Hermanni, dem Untreue, Betrug und Bestechlichkeit in insgesamt 34 Fällen vorgeworfen wird, genoss seinen Auftritt vor dem Leipziger Landgericht. "Ich habe lange auf diesen Tag warten müssen, meine Ausführungen können dauern", so der ehemalige Chef des Leipziger Betriebes für Beschäftigungsförderung (bfb).

Und es dauerte. Während sich der Mitangeklagte und damalige Geschäftspartner Jürgen Sobiak, mit dem Hermanni bei der Vermietung von Baumaschinen gemauschelt haben soll, bewusst desinteressiert zeigte und Zeitung las, packte Hermanni umfängliche "Schaubilder" aus. Aus seiner ehrenamtlichen Tätigkeit als Schöffe und Arbeitsrichter wisse er solche Veranschaulichungen zu schätzen. Und so verteilte er vor schmunzelndem Publikum stapelweise Schautafeln und Diagramme an Richter, Schöffen und Anwälte.

Was dann folgte, war ein detaillierter Überblick über Vorgänge auf verschiedenen Baustellen in Leipzig, auf denen der bfb im Auftrag von städtischen Firmen tätig war. Kurz zusammengefasst: Rechnungen seien hin und her geschoben worden, allerdings mit System und zwar auf Basis von Pauschalverträgen mit monatlicher Budgetierung. Das Ganze nicht nur mit Wissen, sondern auf Bitten der Auftraggeber, so Hermannis Darstellung. Während die Anklage von einem Schaden in Höhe von 1,9 Millionen DM ausgeht, sagte der 47-Jährige: "Keine Täuschung und kein Schaden."

Dann wetterte er gegen die Staatsanwaltschaft: Drei ehemalige bfb-Beschäftigte mit vor Gericht zu stellen, diene nur dem Zweck, sie als Entlastungszeugen auszuschalten. Die Staatsanwaltschaft, die insgesamt ruhig und gefasst reagierte, verbat sich derartige Unterstellungen. Hermanni ließ indes nicht locker. Er sprach von manipulierter Zeugen-Befragung in der Ermittlungsphase und von unterschlagenen Akten.

Wegen gesundheitlicher Probleme eines bfb-Angeklagten im Rentenalter brach der Richter vorzeitig ab. Der Mammutprozess soll bis April nächsten Jahres gehen.

Andreas Dunte