Peinliche Fragen an den Chef-Ermittler
Fall Hermanni
Leipzig.
Halbzeit im Verfahren gegen Matthias von Hermanni. Und der Ton im Gerichtssaal
am Leipziger Landgericht wird immer schärfer, die Vorwürfe
des ehemaligen Chefs des Leipziger Betriebes für Beschäftigungsförderung
(bfb) und der Mitangeklagten gegen die Ermittler immer lauter.
Im Zeugenstand hat gestern der ermittelnde Kriminalhauptkommissar des
Landeskriminalamtes Sachsen (LKA) Platz genommen und muss sich peinliche
Fragen gefallen lassen. Etwa: "Stimmt es, dass bei den Ermittlungen
entlastende Aussagen von Zeugen und Beschuldigten nicht protokolliert
worden sind? Warum wurden Aussagen, auf denen sich später die Anklage
aufbaute, überhaupt nicht hinterfragt? Warum wurden Schreiben von
Beschuldigten nicht zur Kenntnis genommen, die der Aufklärung des
Falles dienen?
"Erstaunlicher Weise leidet der Beamte unter einen erheblichen
Erinnerungsverlust, der dem Berufsstand nicht zur Ehre gereicht.
Regelrecht im Zugzwang ist mittlerweile die Staatsanwaltschaft, die
Hermanni und dem Mitangeklagten hannoverschen Unternehmer Jürgen
Sobiak der Untreue und des Betrugs überführen will. Alle bislang
vernommen Zeugen bestätigen:Es gibt keinen Schaden, niemand ist
getäuscht worden. Schlimmer noch:Wie ein mitangeklagte bfb-Mitarabeiter
aussagt, seien aufklärende Hinweise zum praktizierten Rechnungssystem
nicht zur Kenntnis genommen worden.
Erneut drängt Hermanni-Verteidiger Andreas Meschkat auf Aufhebung
des Haftbefehls. Da das Gericht bereits zwei vorangegangene Anträge
abgelehnt hat, wird Meschkat deutlicher und erinnert den Richter an
seine prozessuale Fürsorgepflicht.
Hermanni gibt einen Vorgeschmack auf weitere Verhandlungstage im kommenden
Jahr. Er wirft dem LKA-Kommissar vor, die Verdunklungsgefahr initiiert
zu haben. So habe es 1999 eine Hausdurchsuchung gegeben, bei der Akten
beschlagnahmt worden. Akten, so Hermanni, die den Ermittlern zwei Tage
zuvor zur Mitnahme angeboten worden seien. Der Widerspruch des Kommissars
fällt kläglich aus. Am 29. Januar 2002 wird er erneut vernommen.
Andreas Dunte