Leipziger Volkszeitung vom 29. Januar 2002





Hickhack um Beweismittel im Fall Hermanni

Für Ermittler bleibt Herkunft eines Belastungsdokuments unklar / Keine Reaktion der Staatsanwaltschaft

Leipzig. Nunmehr schon der zwölfte Verhandlungstag im Fall Matthias von Hermanni, aber es gibt immer noch Überraschungen: Ausgerechnet über das wichtigste Beweismaterial gegen den angeklagten Ex-Chef des Leipziger Betriebs für Beschäftigungsförderung (bfb) wissen die Ermittler herzlich wenig. Bis heute sei nicht klar, wer das Dokument "Hallo Jürgen" verfasst habe, sagte gestern der ermittelnde Kriminalhauptkommissar des Landeskriminalamtes Sachsen (LKA) und verblüffte im Landgericht Zuhörer wie Verteidigung gleichermaßen.

Aus dem Schreiben gehe hervor, dass Hermanni und dessen damaliger Gechäftspartner Jürgen Sobiak aus Hannover gemauschelt haben. Darin wurde verabredet, dass gezahlte Gelder für Baumaschinen, die zum Zeitpunkt gar nicht im bfb waren, jeweils zur Hälfte aufgeteilt werden. Das Papier sei in den Unterlagen Sobiaks gefunden worden.

"Auf Grund eines Schreibens, das nur in Kopie vorliegt und dessen Echtheit mehr als zweifelhaft ist, sind Hausdurchsuchungen und Haftbefehle erlassen worden", ereiferte sich Hermannis Verteidiger Andreas Meschkat. "Und jetzt ist obendrein nicht einmal klar, wer das verfasst hat." Damit diskreditiere der LKA-Chefermittler die Staatsanwaltschaft. Denn diese habe mit dem Schreiben den Haftrichter vom dringenden Tatverdacht überzeugt, so der Anwalt. "Überzeugt mit einer Fälschung."

Ebenso sei damals eine Verdunklungsgefahr herbeigeredet worden. Mal habe das LKA Akten nicht wahrgenommen, obwohl Hermanni sie den Beamten zur Mitnahme angeboten hatte. Dann wurden diese Akten doch gebraucht. "Und weil sie nicht gleich gefunden wurden, gab es Hausdurchsuchungen", so der Anwalt.

Eine Reaktion von Staatsanwaltschaft oder Gericht gab es dazu gestern nicht. Bisherige Anträge auf Aufhebung des vor über zwei Jahren verhängten Haftbefehls, der auf Kaution außer Kraft gesetzt worden ist, wies der Vorsitzende Richter Karsten Nickel bislang mit dem Hinweis ab, dass noch Zeugen gehört werden müssen. Es sei weiter dringender Tatverdacht gegeben so wie auch weiter Flucht- und Verdunklungsgefahr bestehe, so Nickel.

Alle bislang vernommenen Zeugen hatten ausgesagt, dass es keinen Schaden gibt und dass niemand getäuscht worden sei. Die Staatsanwaltschaft wirft dem bfb-Chef Untreue, Betrug und Bestechlichkeit vor. Insgesamt sei ein Schaden von knapp einer Millionen Euro entstanden.

"Es wird immer deutlicher, dass hier ein Fall konstruiert worden ist", sagte gestern Anwalt Meschkat. Ein Ende des Prozesses sei aber nicht abzusehen. Beobachter gehen davon aus, dass allein die Vernehmung des Hauptkommissars vom LKA sich über mehrere Verhandlungstage hinziehen könnte.


Andreas Dunte