MDR 1, Radio Sachsen, gesendet am 4.12.2001, 13.47 Uhr
Live Interview
Moderatorin: Seit Oktober muss sich vor dem Leipziger Landgericht der
frühere Chef des Betriebes für Beschäftigungsförderung
- bfb - verantworten. Ihm und vier weiteren Angeklagten werden Betrug
und Untreue zur Last gelegt. Matthias von Hermanni soll Rechnungen für
Baumaschinen an seinen Hannoveraner Geschäftspartner bezahlt haben,
obwohl die Maschinen gar nicht in Leipzig waren. Quasi als Gegenleistung
soll der Geschäftspartner dafür unentgeltlich an Hermannis
Privathaus gebaut haben. Doch bislang haben alle Zeugen Hermanni entlastet
und seine Verteidiger decken immer neue Ermittlungspannen der Staatsanwaltschaft
auf. Unsere Reporterin Sylvia Stadler hat den Prozess beobachtet. Frau
Stadler, kündigt sich da etwa ein Justizskandal an?
Ja, das rückt immer mehr in den Rahmen des Möglichen. Also
zunächst hieß noch, Hermanni habe ABM Kräfte an seinem
Privathaus in Hohenroda bauen lassen. Die Ermittler haben daraufhin
65 Handwerksbetriebe in ganz Deutschland befragt, aber siehe da, niemand
hatte ABM - Kräfte dort gesehen. Jetzt heißt es im Kern noch,
es soll Geld für einen Betonbrecher gezahlt worden sein, bereits
ab Januar1994, obwohl der erst im Mai nach Leipzig gekommen ist. Aber
alle Zeugen haben bislang ausgesagt, dass die Rechnungen rückwirkend
gestreckt worden sind, um das monatliche Budget für Rechnungen
eben nicht zu überschreiten. Außerdem kam der Brecher, ein
riesiges Gerät per Schwerlasttransport und konnte auch nicht so
einfach mal bei Hermanni vor die Haustür gestellt werden.
Moderatorin: Fast logisch, dass der Staatsanwaltschaft da schlampige
Ermittlungen vorgeworfen werden. Merkt man das denn auch im Prozessgeschehen?
Also die Verteidiger haben jetzt mal alles zusammengetragen auf 23 Seiten,
und das wurde heute im Gericht verlesen. Ein früherer Projektleiter
des bfb hat auch ausgesagt, dass er beim LKA zu einer bestimmten Aussage
gegen Hermanni gedrängt werden sollte, ein Aktenordner, der Hermanni
entlasten könnte, ist bei der Staatsanwaltschaft verschlampt worden,
und einziger Beweis für Hermannis angebliches Nichtbezahlen von
Rechnungen an seinem Haus sind bislang Kopien, und die hat jemand vorgelegt,
der die auf einen Kopierer gelegt hat, also Rechnungen erst auseinandergeschnitten,
dann neu zusammengelegt, und das könnte man angeblich eindeutig
sehen, sagen die Anwälte.
Auch der Staatsanwalt macht eigentlich nicht so richtig einen objektiven
Eindruck, immer wenn Entlastendes für Hermanni zur Sprache kommt,
guckt er demonstrativ aus dem Fenster oder reibt sich verschlafen die
Augen und gähnt.
Moderatorin: Es klingt gut. Wie gehts denn nun weiter, dreht Hermanni
den Spieß vielleicht noch rum?
Die Anwälte Hermannis haben heute erneut beantragt, den Haftbefehl
gegen ihn aufzuheben. Hermanni ist ja nur gegen Zahlung von 250000,-
Mark Kaution auf freiem Fuß, und die Aufhebung des Haftbefehls
wäre für ihn sehr wichtig, weil er dann endlich allen privaten
Geldgebern und Spendern das Geld zurückgeben könnte.
Moderatorin: Hermanni will also das Geld für seine Kaution zurückgeben.
Das sieht ganz danach aus, als sei er schon sicher, dass der Prozess
wie eine Seifenblase zerplatzen wird. Das hatte er ja im Vorfeld schon
angekündigt.