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von MDR 1 Radio Sachsen, gesendet am 29.1.2002, 17.47 Uhr
Der Prozeß gegen den früheren Chef des Leipzigers Betriebes
für Beschäftigungsförderung , Herrn Matthias von Hermanni,
nimmt immer skurrilere Formen an. Heute ging es vor Gericht um Hermannis
Internetseite. Denn seit gegen ihn ermittelt wird, hat Hermanni eine
eigene Homepage. Dort konnte man bislang auch die genauen Wortprotokolle
von Zeugenvernehmungen vor Gericht nachlesen. Damit soll jetzt Schluß
sein, entschied der Richter. Sylvia Stadler hat die heikle Debatte im
Gerichtssaal mit dem gebotenen Ernst verfolgt.
Unter www.vonhermanni.de können Interessierte nachlesen, was der
Ermittlungsführer des Landeskriminalamtes vor Gericht aussagte.
Er bestätigte nämlich unter anderem, dass er einem Zeugen,
immerhin Amtsleiter im Rathaus, schon vor Anklageerhebung den Haftbefehl
gegen Hermanni vorlegte. Das verstößt gegen die Strafprozeßordnung,
weil Zeugen dadurch massiv beeinflusst werden. Solch für die Justiz
peinlichen Offenbarungen via Internet soll es jetzt nicht mehr geben.
Der Vorsitzende Richter Karsten Nickel verbot heute auf Antrag der Staatsanwaltschaft
die Zeugenprotokolle, kurioserweise mit der Begründung, künftig
Zeugenbeeinflussung vermeiden zu wollen. Der Verteidiger Hermannis,
Andreas Meschkat, findet die Wortprotokolle von LKA Beamten im Internet
aber wichtig:
Meschkat: Weil die Öffentlichkeit darüber informiert werden
muss, dass sie sich jetzt heute an nichts mehr erinnern können,
und sie weichen nämlich insbesondere Fragen aus, die belegen, dass
hier rechtswidrig durch die Staatsanwaltschaft gegen meinen Mandaanten
ermittelt worden ist.
Weil im Gerichtssaal Aussagen nicht protokolliert werden, schreiben
für die Verteidiger einige Zuhörer mit. Diese mußten
heute ihre Namen nennen. Es waren vier. Fünf Zuhörer standen
zudem freiwillig auf und beantragten unter einigem Gelächter, auch
mitschreiben zu dürfen. Der Prozeß interessiere Sie persönlich,
meinten sie zur Begründung, Außerdem könnten sie die
Aussagen ja nun künftig nicht mehr im Internet nachlesen. Das Gericht
zog sich ob der heiklen Frage immer wieder zu langen Beratungspausen
zurück und genehmigte schließlich den neun namentlich bekannten
Zuhörern das Mitschreiben. Auch Journalisten wurde es großzügig
gestattet. Außer den Zeugenprotokollen bietet www.vonhermanni.de
weiter Lesestoff, zum Beispiel über die Beweisdokumente, die sämtlich
Kopien sind, was Leipzigs Oberstaatsanwalt Norbert Röger bestätigt:
Norbert Röger: Über den Beweiswert der Kopien wird das Gericht
zu befinden haben.
Über die Frage der Internetnutzung bei Prozessen dürfte das
richterliche Verbot von heute noch nicht abschließend sein, immerhin
ist eine Zeugenbefragung vor Gericht öffentlich und das Internet
nun mal ein modernes Medium.