Verfahren gegen Ex-bfb-Chef spitzt sich weiter zu
Haftbefehl
nicht aufgehoben / Politische Interessen?
Leipzig.
Im Prozess gegen Matthias von Hermanni hat die Verteidigung deutlich
auf mögliche politische Interessen hingewiesen.Anders als vorige
Woche angekündigt, entschied der Vorsitzende Richter Karsten Nickel
gestern nicht über eine Aufhebung des Haftbefehls gegen den ehemaligen
Chef des Betriebs für Beschäftigungsförderung (bfb).
Stattdessen wurden mit Andreas Müller, Beigeordneter der Stadt
Leipzig, und Andreas Balz, ehemals Vizechef des bfb, weitere Zeugen
gehört.
In einem erneutenAntrag zur Aufhebung des Haftbefehls betonte Hermannis
Anwalt Andreas Meschkat, dass es kaum absehbare Folgen für den
Prozessverlauf habe, wenn die "weitere Verzögerung der Entscheidung
im zeitlichen Zusammenhang mit der derzeitigen Entscheidungsfindung
der Stadt Leipzig über die Abwicklung des bfb stehen" würde.
Das gelte zudem, wenn dies "ausdrücklich dem geäußerten
Wunsch politischer Kräfte" entspreche und an den Richter herangetragen
worden sei. Dieser reagierte auf den Antrag jedoch nicht.
Die Verteidigung sah sich nach der gestrigen Zeugenvernehmung bestätigt.
"Die Staatsanwaltschaft müsste nachweisen, dass ich schuldig
bin", ereiferte sich Hermanni. "Stattdessen können wir
nachweisen, dass ich unschuldig bin." Laut Anklage soll der Ex-Chef
des bfb durch Betrug und Täuschung einen Schaden in Höhe von
rund einer Million Euro verursacht. Dabei geht es insbesondere um zwei
Brecher für Beton und Ziegel, die der bfb vom damaligen Geschäftspartner
und Mitangeklagten Jürgen Sobiak erst mietete und dann zu einem
Restpreis kaufte. Die Staatsanwaltschaft ist der Ansicht, dass hierbei
nicht angemessene Summen gezahlt worden sind.
Wie Andreas Müller, als Beigeordneter ehemals Vorgesetzter von
Hermanni, sagte, sei der Mietkauf als sinnvoll eingestuft worden. Es
habe zwar Diskussionen im Zusammenhang mit der Vergabeordnung gegeben,
die, wie sich auf Nachfrage Hermannis heraustellte, jedoch für
den Eigenbetrieb nicht anwendbar war. Über den Zuwachs des Anlagevermögens
beim bfb habe er sich "gefreut", so Müller, da dieses
dauerhaft einsetzbar war. Auch aus heutigerSicht sei die Konzeption
des Betriebes, der in der Spitze über 8000 Beschäftigte (meist
ABM-Kräfte) zählte, sinnvoll gewesen.
Andreas Balz wies ebenfalls darauf hin, dass der Mietkauf mit derStadtverwaltung
abgestimmt war. Der Einsatz der zwei Baumaschinen sei für den bfb
"hochrentabel" gewesen.
DieAussagen von Balz nahm Hermanni zudem zum Anlass, ein System darzulegen,
wonach Sobiak der Steuerbehörde gegenüber offene Rechnungen
suggeriert haben soll, um diese absetzen zu können. So hatte Balz
nach eigenen Angaben wie vereinbart Sobiak 25.000 D-Mark für die
Renovierung seiner Wohnung gezahlt. Später habe Sobiak für
diese Leistungen jedoch "unerklärlicherweise" Forderungen
in Höhe von weiteren 50.000 D-Mark an Hermanni gestellt. Sabine
Schanzmann