Leipziger Volkszeitung vom 06. März 2002



Verfahren gegen Ex-bfb-Chef spitzt sich weiter zu

Haftbefehl nicht aufgehoben / Politische Interessen?

Leipzig. Im Prozess gegen Matthias von Hermanni hat die Verteidigung deutlich auf mögliche politische Interessen hingewiesen.Anders als vorige Woche angekündigt, entschied der Vorsitzende Richter Karsten Nickel gestern nicht über eine Aufhebung des Haftbefehls gegen den ehemaligen Chef des Betriebs für Beschäftigungsförderung (bfb). Stattdessen wurden mit Andreas Müller, Beigeordneter der Stadt Leipzig, und Andreas Balz, ehemals Vizechef des bfb, weitere Zeugen gehört.


In einem erneutenAntrag zur Aufhebung des Haftbefehls betonte Hermannis Anwalt Andreas Meschkat, dass es kaum absehbare Folgen für den Prozessverlauf habe, wenn die "weitere Verzögerung der Entscheidung im zeitlichen Zusammenhang mit der derzeitigen Entscheidungsfindung der Stadt Leipzig über die Abwicklung des bfb stehen" würde. Das gelte zudem, wenn dies "ausdrücklich dem geäußerten Wunsch politischer Kräfte" entspreche und an den Richter herangetragen worden sei. Dieser reagierte auf den Antrag jedoch nicht.


Die Verteidigung sah sich nach der gestrigen Zeugenvernehmung bestätigt. "Die Staatsanwaltschaft müsste nachweisen, dass ich schuldig bin", ereiferte sich Hermanni. "Stattdessen können wir nachweisen, dass ich unschuldig bin." Laut Anklage soll der Ex-Chef des bfb durch Betrug und Täuschung einen Schaden in Höhe von rund einer Million Euro verursacht. Dabei geht es insbesondere um zwei Brecher für Beton und Ziegel, die der bfb vom damaligen Geschäftspartner und Mitangeklagten Jürgen Sobiak erst mietete und dann zu einem Restpreis kaufte. Die Staatsanwaltschaft ist der Ansicht, dass hierbei nicht angemessene Summen gezahlt worden sind.


Wie Andreas Müller, als Beigeordneter ehemals Vorgesetzter von Hermanni, sagte, sei der Mietkauf als sinnvoll eingestuft worden. Es habe zwar Diskussionen im Zusammenhang mit der Vergabeordnung gegeben, die, wie sich auf Nachfrage Hermannis heraustellte, jedoch für den Eigenbetrieb nicht anwendbar war. Über den Zuwachs des Anlagevermögens beim bfb habe er sich "gefreut", so Müller, da dieses dauerhaft einsetzbar war. Auch aus heutigerSicht sei die Konzeption des Betriebes, der in der Spitze über 8000 Beschäftigte (meist ABM-Kräfte) zählte, sinnvoll gewesen.


Andreas Balz wies ebenfalls darauf hin, dass der Mietkauf mit derStadtverwaltung abgestimmt war. Der Einsatz der zwei Baumaschinen sei für den bfb "hochrentabel" gewesen.


DieAussagen von Balz nahm Hermanni zudem zum Anlass, ein System darzulegen, wonach Sobiak der Steuerbehörde gegenüber offene Rechnungen suggeriert haben soll, um diese absetzen zu können. So hatte Balz nach eigenen Angaben wie vereinbart Sobiak 25.000 D-Mark für die Renovierung seiner Wohnung gezahlt. Später habe Sobiak für diese Leistungen jedoch "unerklärlicherweise" Forderungen in Höhe von weiteren 50.000 D-Mark an Hermanni gestellt. Sabine Schanzmann