Wende im Prozess gegen Ex-bfb-Chef steht kurz bevor
Leipziger
Gericht prüft Aufhebung des Haftbefehls
Leipzig.
Die Wende im Prozess gegen Matthias von Hermanni steht offenbar bevor.
Das Gericht will jetzt prüfen, ob es den Haftbefehl aufhebt. Dies
kündigte der Vorsitzende Richter Karsten Nickel gestern am 19.
Verhandlungstag an. Der Haftbefehl besteht seit zwei Jahren und wurde
gegen Kaution außer Kraft gesetzt.
Prozessbeobachter rechnen fest mit einer Aufhebung, da auch die seit
langem erwartete gestrige Stellungnahme der Anklage nichts substanziell
Neues brachte. Staatsanwalt Thomas Gast würdigte nicht einmal die
bisherige Zeugenvernehmung in dem Maße, wie das erwartet worden
war, sondern erging sich vorwiegend in zivilrechtlichen Erörterungen.
Laut Anklage hat der Ex-Chef des Leipziger Betriebs für Beschäftigungsförderung
(bfb) durch Betrug und Täuschung einen Schaden in Höhe von
rund einer Million Euro verursacht. Bislang vernommene Zeugen hatten
jedoch stets erklärt, dass kein Schaden entstanden sei und sie
auch nicht getäuscht worden seien. Im Gegenteil, die Abrisstätigkeit
des bfb auf städtischen Gewerbeflächen habe zu einem gewaltigen
Gewinn geführt, hieß es in Zeugenaussagen.
Im Detail geht es vorwiegend um zwei Brecher für Beton und Ziegel,
die der bfb erst mietete und dann kaufte. In Absprache mit den Auftraggebern
wurden die Mietrechnungen gestreckt, um im Budget zu bleiben. So wurde
für die Brecher auch gezahlt, obwohl sie noch gar nicht im Einsatz
waren. Genau da wittert die Staatsanwaltschaft den Betrug. "Bislang
ist es ihr aber nicht gelungen, unter den Zeugen einen zu finden, der
von der Absprache nichts gewusst haben will", sagte Hermannis Anwalt
Andreas Meschkat.
Für den angeklagten Ex-Chef des einst größten Betriebes,
der nach der Wende mit in der Spitze über 8000 Mitarbeitern (vor
allem Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, ABM) entstanden ist, sei "das
Ganze nur eine politische Farce, eine Fantasie-Anklage", sagte
er gestern gegenüber unserer Zeitung. "Das Problem der Staatsanwaltschaft
ist, dass ich ihr und ihren Machenschaften auf die Schliche gekommen
bin", verkündete er in einer Mischung aus Wut, Rache und Selbstinszenierung
und verwies auf eine Reihe eigener Ermittlungsakten, die den Schriftzug
"Columbo" tragen. Anders als der eher etwas zurückhaltende
und schusselig wirkende Fernseh-Kommissar wurde Hermanni direkt:Stück
für Stück hebele er jetzt das "wackelige Anklagegerüst"
aus. Die Sache mit den Brechern sei vorgeschoben. Ebenso die vermeintliche
Mauschelei mit einem Geschäftspartner, der wie Hermanni aus Hannover
stammt. "In Wirklichkeit sollte ich stürzen, damit der bfb
abgewickelt werden kann", so Hermanni.
Die bisherige Entwicklung habe ihm Recht gegeben:Laut Beschluss des
Stadtrates (wir berichteten) wird es im Betrieb keine ABM mehr geben,
nur noch 850 Sozialhilfeempfänger. Das Vermögen wird veräußert.
Interessant ist, dass Hermanni gestern gegenüber der Staatsanwaltschaft
erneut in direkter Weise auftrat und ihr Unterdrückung von Beweismitteln,
illegale Ermittlungstätigkeit und sogar die Täuschung des
Gerichtes vorwarf. In keiner Weise wurde er dafür gerügt.
Andreas Dunte