Leipziger Volkszeitung vom 18. Juni 2002

Hermanni-Mitangeklagter: Haftverschonung mit Falschaussage erkauft


Leipzig. Im Fall gegen Matthias von Hermanni muss jetzt der Staatsanwalt in den Zeugenstand. Grund dafür ist die gestrige überraschende Aussage des Mitangeklagten Jürgen Sobiak. Der Geschäftsmann aus Hannover soll gemeinsam mit dem ehemaligen Chef des Leipziger Betriebes für Beschäftigungsförderung (bfb) bei der Vermietung von Baumaschinen gemauschelt haben. Schaden: knapp eine Million Euro.


Sobiak, der seit Verhandlungsbeginn im Oktober vergangenen Jahres geschwiegen hat, wies sämtliche gegen ihn erhobenen strafrechtlichen Vorwürfe zurück. Er betonte (auf Grund seiner "emotionalen Betroffenheit" äußerte sich stellvertretend sein Verteidiger), dass es keinerlei Absprachen mit Hermanni gegeben habe, insbesondere nicht über Verrechnungen von Brechermieten mit Forderungen, die Sobiaks Firma GFHGmbH zugestanden hätten.


Genau darauf baut aber zu einem Großteil die Anklage auf. Auch weil Sobiak dies so gegenüber dem ermittelnden Staatsanwalt während seiner Untersuchungshaft im Dezember 1999 angegeben hat. "Diese Aussagen sind unter dem Druck der erlittenen Untersuchungshaft und den konkreten Haftbedingungen zustande gekommen", ließ der Mitangeklagte das Gericht aufhorchen.


Er sei in Hannover verhaftet und danach elf Tage durch insgesamt zehn verschiedene Justizvollzugsanstalten im Norden und Osten Deutschlands verschoben worden. Während dieser Zeit sei es ihm nicht möglich gewesen, mit seiner Familie oder mit seiner Verteidigung Kontakt aufzunehmen. Am 15. Dezember 1999 sei er von Chemnitz nach Leipzig (gefesselt an Händen und Füssen) transportiert worden. Staatsanwalt Gast habe ihm deutlich gemacht, dass er nur dann mit Haftverschonung rechnen könne, wenn er im Sinne der Fragestellung der Staatsanwaltschaft antworte.


Auch in einem weiteren Punkt brachte Sobiak das Anklagegerüst ins Wanken. So hätten er und einer seiner Mitarbeiter versucht, Hermanni mit einer konstruierten Liste (auf der es auch um Brechermieten gehe) unter Druck zu setzen. Auf diese Weise sollte Hermanni dazu bewegt werden, ausstehende Forderungen zu begleichen.


Da laut Sobiak nicht er, sondern sein Mitarbeiter der Initiator der Aktion sei, wird es nach Ansicht von Hermannis Anwalt Andreas Meschkat zu weiteren Zeugenvernahmen kommen müssen. "Ich habe dennoch die leise Hoffnung, dass der Prozess im Sommer zu Ende ist." Die Anklage sei eine Farce. Der Staatsanwalt habe allein auf politischen Druck hin gegen den einstigen bfb-Chef ermittelt, meinte Meschkat.


Andreas Dunte