Hermanni-Mitangeklagter:
Haftverschonung mit Falschaussage erkauft
Leipzig. Im Fall gegen Matthias von Hermanni muss jetzt der Staatsanwalt
in den Zeugenstand. Grund dafür ist die gestrige überraschende
Aussage des Mitangeklagten Jürgen Sobiak. Der Geschäftsmann
aus Hannover soll gemeinsam mit dem ehemaligen Chef des Leipziger Betriebes
für Beschäftigungsförderung (bfb) bei der Vermietung
von Baumaschinen gemauschelt haben. Schaden: knapp eine Million Euro.
Sobiak, der seit Verhandlungsbeginn im Oktober vergangenen Jahres geschwiegen
hat, wies sämtliche gegen ihn erhobenen strafrechtlichen Vorwürfe
zurück. Er betonte (auf Grund seiner "emotionalen Betroffenheit"
äußerte sich stellvertretend sein Verteidiger), dass es keinerlei
Absprachen mit Hermanni gegeben habe, insbesondere nicht über Verrechnungen
von Brechermieten mit Forderungen, die Sobiaks Firma GFHGmbH zugestanden
hätten.
Genau darauf baut aber zu einem Großteil die Anklage auf. Auch
weil Sobiak dies so gegenüber dem ermittelnden Staatsanwalt während
seiner Untersuchungshaft im Dezember 1999 angegeben hat. "Diese
Aussagen sind unter dem Druck der erlittenen Untersuchungshaft und den
konkreten Haftbedingungen zustande gekommen", ließ der Mitangeklagte
das Gericht aufhorchen.
Er sei in Hannover verhaftet und danach elf Tage durch insgesamt zehn
verschiedene Justizvollzugsanstalten im Norden und Osten Deutschlands
verschoben worden. Während dieser Zeit sei es ihm nicht möglich
gewesen, mit seiner Familie oder mit seiner Verteidigung Kontakt aufzunehmen.
Am 15. Dezember 1999 sei er von Chemnitz nach Leipzig (gefesselt an
Händen und Füssen) transportiert worden. Staatsanwalt Gast
habe ihm deutlich gemacht, dass er nur dann mit Haftverschonung rechnen
könne, wenn er im Sinne der Fragestellung der Staatsanwaltschaft
antworte.
Auch in einem weiteren Punkt brachte Sobiak das Anklagegerüst ins
Wanken. So hätten er und einer seiner Mitarbeiter versucht, Hermanni
mit einer konstruierten Liste (auf der es auch um Brechermieten gehe)
unter Druck zu setzen. Auf diese Weise sollte Hermanni dazu bewegt werden,
ausstehende Forderungen zu begleichen.
Da laut Sobiak nicht er, sondern sein Mitarbeiter der Initiator der
Aktion sei, wird es nach Ansicht von Hermannis Anwalt Andreas Meschkat
zu weiteren Zeugenvernahmen kommen müssen. "Ich habe dennoch
die leise Hoffnung, dass der Prozess im Sommer zu Ende ist." Die
Anklage sei eine Farce. Der Staatsanwalt habe allein auf politischen
Druck hin gegen den einstigen bfb-Chef ermittelt, meinte Meschkat.
Andreas Dunte