Leipziger Volkszeitung vom 22. November 2002

Hermanni-Verteidiger fordern Freispruch


Leipzig. Im Fall Matthias von Hermanni ging es gestern heftig zu. Die Verteidigung des ehemaligen Chefs des Leipziger Betriebes für Beschäftigungsförderung (bfb) forderte im Plädoyer nicht nur Freispruch, sondern auch Entschädigung für Untersuchungshaft und Kosten, die dem 48-Jährigen entstanden sind. Und sie griff massiv die Staatsanwaltschaft an.


Nach über 50 Verhandlungstagen sei im längsten Prozess in Sachsen (Beginn war im Oktober 2001) nur "ein Trümmerberg namens Anklage" übrig, so Hermannis Anwälte Andreas Meschkat und Klaus Schurig. Die Verteidiger bemühten sogar ein Zitat aus der Zeit der "Spiegel-Affäre":"Den Täter haben wir, die Tat wird sich finden."Auch im aktuellen Fall sei wider besseren Wissens vorverurteilt worden, sagte Meschkat. Er sprach von manipulierten Beweisanträgen, unbegründeten Hausdurchsuchungen und Prozessverschleppung.


Die Staatsanwaltschaft hatte wegen Untreue und Bestechlichkeit auf eine Freiheitsstrafe von vier Jahren plädiert. Der bfb, so die Anklage, habe Baumaschinen zu überhöhten Preisen von Hermannis Geschäftspartner Jürgen Sobiak angemietet (Schaden 600.000 Euro). Als Gegenleistung habe Sobiak am Privathaus des Beamten unentgeltlich Arbeiten ausgeführt.


Die gekauften Baumaschinen (insbesondere geht es um Betonbrecher) seien weder zu teuer gekauft, noch sei irgend jemand getäuscht worden. Und es gebe keinen Schaden, so die Verteidigung. Im Gegenteil, durch den Verkauf von Betonbruch habe die Stadt einen Gewinn in zweistelliger Millionenhöhe gemacht. Schaden habe allein das Verfahren verursacht:Kosten für Prozess und Ermittlungen in Höhe von zwei Millionen Euro, einen abgewickelten bfb, höhere Ausgaben der Stadt für Sozialhilfe und Ansehensverlust der Justiz in Sachsen.


Freispruch für ihren Mandanten forderte auch die Verteidigung des mitangeklagten Sobiak, der nach Vorstellung der Staatsanwaltschaft zwei Jahre und drei Monate hinter Gitter soll. Sobiak hatte eingeräumt, unter dem Druck erlittener Untersuchungshaft gegen Hermanni ausgesagt zu haben. In Wirklichkeit habe es aber keine Absprachen über Brechermieten oder ähnliches gegeben. Allerdings bestand Sobiak gestern am Rande der Verhandlung darauf, von Hermanni noch Geld in sechsstelliger Höhe zu bekommen.


Sobiaks Anwalt stützte die Hermanni-These des politisch inszenierten Prozesses. Auf die Bitte nach Unterlageneinsicht bei der Stadt Leipzig sei ihm im Rechtsamt gesagt worden, entlastendes Material gebe es nicht, nur Hermanni belastende Unterlagen würden herausgegeben.


Das Urteil soll in zwei Wochen gesprochen werden.


Andreas Dunte