Spannung
im Fall Hermanni
Leipzig.
Die Szenen ähneln sich: Wie schon zum Prozessauftakt Anfang Oktober
2001 am Landgericht ist auch gestern das Medieninteresse überaus
groß. Unter Blitzlichtgewitter betritt Matthias von Hermanni den
Verhandlungsraum des Bundesgerichtshofes (BGH) in Leipzig. Auf der Tagesordnung
des 5. Strafsenats steht die Revisionsverhandlung im Fall gegen den
ehemaligen Chef des mittlerweile abgewickelten Leipziger Betriebs für
Beschäftigungsförderung (bfb), der einst größten
Beschäftigungsgesellschaft Deutschlands. Das Landgericht hatte
den städtischen Manager zu einer Bewährungsstrafe von eineinhalb
Jahren und einer Geldbuße in Höhe von 40.000 Euro verurteilt.
Ruhig und scheinbar abgeklärt verfolgt der früher oft aufbrausende
Hermanni die Verhandlung. Nur am Ende hat er seine Emotionen noch schwer
im Griff. Was Wunder, liegen doch zwischen seiner Verhaftung im November
1999 und der Revisionsverhandlung über fünf Jahre. Das zerrt
an den Nerven. Und es gibt noch einen weiteren Grund für den Gefühlsausbruch.
Prozessbeobachter rechneten im Vorfeld der Verhandlung mit drei Möglichkeiten.
Erstens: Ablehnen der Revisionsanträge von Staatsanwalt und Verteidigung.
Zweitens: Freispruch. Drittens: Zurückverweisen des Falls an das
Landgericht, das dann die sieben Punkte neu verhandelt, in denen die
Richter den einstigen bfb-Chef der Untreue für schuldig befunden
und im Dezember 2002 verurteilt hatten.
Doch Fehlanzeige. Hermannis Anwalt Bernd Müssig (Bonn) fährt
schwere Geschütze gegen Staatsanwalt Thomas Gast auf. Dieser war
während der damaligen Verhandlung in den Zeugenstand gerufen worden,
weil er einem mitangeklagten Geschäftsmann aus Hannover nach dessen
Worten Strafverschonung versprochen hatte, wenn er den bfb-Chef im Gegenzug
belastet. Hermanni war vorgeworfen worden, von diesem Geschäftsmann
Baumaschinen überteuert gemietet zu haben. Im Gegenzug habe der
Hannoveraner unentgeltlich an Hermannis Privathaus mitgebaut.
Nach Ansicht des Revisionsanwalts hätte der damalige Staatsanwalt
in seinem Plädoyer die eigenen Aussagen, die er als Zeuge vor Gericht
gemacht hatte, nicht würdigen dürfen. "Die rechtsstaatliche
Objektivität des Staatsanwalts ist nicht gewahrt worden",
kritisiert Müssig. Ausführungen, die bei den BGH-Richtern
aufmerksam verfolgt werden.
Und der Anwalt macht gleich eine weitere rechtliche Baustelle auf. "Wenn
Untreue und Bestechlichkeit, wegen deren Hermanni angeklagt war, als
eine untrennbare Einheit betrachtet werden", dann könne es
nicht auf der einen Seite (Bestechlichkeit) zu einem Freispruch kommen,
auf der anderen (Untreue) aber zur Verurteilung. Genau so hatten die
Richter aber geurteilt.
Folglich beantragt Müssig - auch wegen zahlreicher anderer Män-gel
unter anderem in der Beweis-würdigung -, der Revision stattzugeben,
das Urteil aufzuheben und den Fall an das Landgericht zurückzuverweisen.
Nach kurzer Beratung sagt der Vorsitzende Senatsrichter Clemens Basdorf
etwas, das beim BGH Seltenheitswert hat: Er wolle ausdrücklich
darauf aufmerksam machen, dass es zu einer Neuverhandlung kommen könnte.
Der Hinweis, dass dann möglicherweise auch eine härtere Strafe
drohe, hält Hermanni nicht davon ab, das Wort zu ergreifen. Er
habe keine Angst vor einer erneuten Verhandlung. "Unschuld beweisen",
"fragliche Gutachter", "falsch bewertete Zeugenaussagen"
sind nur einige der Worte, die aus dem gewichtigen Mann poltern. Mit
57 Verhandlungstagen zählt sein Prozess, der sich über 14
Monate zog, zu den längsten in der neuen Geschichte Sachsens. "Von
Anbeginn", formuliert er dann eindringlich, "ist der Anklage
klar gewesen, dass sie diesen Prozess mit gefälschten Dokumenten
führt". Er wolle "vollständigen Freispruch"
und sehe sich dem jetzt sehr nahe, sagt der 51-Jährige, der noch
70 Prozent seiner früheren Bezüge von der Stadt Leipzig erhält.
Wie erwartet, lehnt die Bundesanwaltschaft einen neuen Prozess ab. Er
sehe keine Fehler im Urteil des Landgerichts und beantrage daher, die
Revisionsanträge sowohl der Verteidigung als auch der Staatsanwaltschaft
zurückzuweisen, sagt Bundesanwalt Michael von Hagen.
Am kommenden Donnerstag will der 5. Strafsenat nun sein Urteil verkünden.
Andreas Dunte