Leipzig mischt bei den Arbeitslosenzahlen bundesweit ganz
vorn mit. "Wir verzeichnen Rekorde. Das ist erschreckend, und da
müssen wir handeln", sagt CDU-Stadtrat Alexander Achminow.
"Dabei dürfen wir niemanden außen vor lassen."
Das gelte auch für Matthias von Hermanni. Einen bfb wolle zwar
niemand wieder haben, sagt Achminow weiter. "Aber auf die Erfahrung
Hermannis bei der Beschäftigungsförderung sollten wir auf
keinen Fall verzichten."
Die Stadtverwaltung hält sich mit einem Kommentar zu Hermannis
Quasi-Freispruch weitgehend zurück. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs
sei "zur Kenntnis genommen" worden, so eine Rathaus-Sprecherin
(die LVZ berichtete). Jetzt warte man ab, wie das Landgericht Chemnitz
entscheidet, da noch zwei Untreue-Vorwürfe bestünden.
Doch wie nun weiter mit Hermanni? Den eistigen bfb-Chef, der seit seiner
Verhaftung vor fünf Jahren vom Dienst suspendiert ist, einfach
weiterzubeschäftigen, geht nicht. Schließlich hat der Stadtrat
- unabhängig von dem Strafverfahren - seine Entlassung gefordert.
Hermanni habe seine Pflichten als Leiter des Betriebs verletzt, der
nach einer ernsten Finanzkrise 2003 abgewickelt wurde, so der seinerzeit
installierte Akteneinsichtsausschuss.
Hermanni darf sich hierzu nicht äußern, hat einen Maulkorb
verpasst bekommen (siehe Interview). Doch wie lange lässt sich
solch ein Schwebezustand aufrecht halten? Ein Rausschmiss geht nur über
ein Disziplinarverfahren. Darauf dürfte der im Rathaus von manchen
ungeliebte Beamte nur warten. Denn bislang versagte ihm der Stadtrat
eine Stellungnahme zu den Vorgängen.
Während sich der Angeklagte in einem der längsten Verfahren
in Sachsen zu verantworten hatte, sorgten Finanzskandale bei dem Beschäftigungsbetrieb
für ständig neue Schlagzeilen: "Leipziger bfb droht Pleite
durch ein Millionen-Loch - Kurzfristig werden 15 Millionen Mark benötigt",
"Stadt stopft Finanzloch der Leipziger ABM-Gesellschaft",
"Leipzigs bfb erneut in Finanznot", "Betrieb braucht
sieben Millionen Euro Zuschuss" oder "Heftige Diskussionen
um Millionen-Loch bei bfb entbrannt" lauteten damals Schlagzeilen
in der LVZ.
Wenn all das jetzt "endlich ehrlich aufgearbeitet" werde,
komme auf die Stadtverwaltung, auf den bfb-Ausschuss, aber auch auf
Rechnungsprüfer einiges zu, meint Falk Singer, einst Leiter der
Rechtsstelle beim bfb. Er und andere Führungskräfte des Beschäftigungsbetriebs
hatten schon Anfang 2003 schwere Geschütze gegen die Nachfolger
Hermannis und die Ausschussmitglieder aufgefahren, sprachen damals von
Täuschung und Verunglimpfung. "Die Kritik am System Hermanni
sollte einzig die eigene Unfähigkeit der letzten bfb-Führung
kaschieren", sagt Singer.
Hermanni selbst hatte Mitte 2001 in einem Brief an Oberbürgermeister
Wolfgang Tiefensee (SPD) behauptet, dass seine Nachfolger im bfb mit
gefälschten Zahlen operierten. Er machte auf Stellenüberschreitungen
sowie auf Mehrausgaben für Maschinen, Fahrzeuge und Geräte
aufmerksam. Dies sei bewusst geschehen, werfen ehemalige bfb-Mitarbeiter
der letzten Führung vor. Insbesondere gehen sie auf den Fall Tierheim
Breitenfeld ein. Hier hätten die bfb-Chefs bewusst die Trägereigenschaft
verspielt. Diese Eigenschaft sei aber für einen Beschäftigungsbetrieb
Grundvoraussetzung, so Singer. "Die daraus entstandenen zwangsläufigen
Verluste wurden anschließenddem Betriebsleiter Hermanni in die
Schuhe geschoben", sagt er weiter und spricht von Bilanzfälschung.
Der Stadtrat habe entweder mitgewirkt, um in Ruhe gelassen zu werden,
oder wurde getäuscht. Die Umbuchungslisten in das Jahr 1999 liegen
dieser Zeitung vor.
Dass die Ex-Mitarbeiter nie vom Akteneinsichtsausschuss gehört
worden waren, begründete Vorsitzender Lothar Tippach (PDS) damit,
dass generell keine Zeugen geladen waren, sich das Gremium nur auf die
Aktenlage stütze. Der in der Zwischenzeit neu gebildete Stadtrat
tut nun aber sicher gut daran, möglichst schnell eine Arbeitsgruppe
zusammenstellen, um die Vorwürfe neu zu bewerten. Jeder sollte
gehört werden. Es geht um einen Beschäftigungsbetrieb mit
einmal bis zu 8000 Arbeitsplätzen, der gemeinsam mit rund 60 Millionen
Euro beweglichen und unbeweglichen Anlagevermögens abgewickelt
wurde. Und es geht angesichts der hohen Arbeitslosigkeit und Hartz IV
auch um Konzepte.
ade