"Hermanni schlägt zurück"
Ex-bfb-Chef rechnet mit hoher
Entschädigung und nimmt Staatsanwaltschaft aufs Korn
Leipzig. „So einfach darf das für die nicht abgehen“, sagt
Matthias von Hermanni und senkt nachdenklich den Kopf. Aber dann lacht
der ehemalige Chef des abgewickelten Leipziger Betriebs für
Beschäftigungsförderung (bfb) und schreitet ganz in Gutsherrenmanier
über den Hof – groß, kräftig, in hellem Hemd und Weste, als sei die Zeit
stehen geblieben.
Er hat nach Hohenroda, seinem Wohnsitz, geladen, um den bfb-Fall aus
seiner Sicht zu beleuchten, „der Öffentlichkeit die rechtswidrigen
Handlungen der Staatsanwaltschaft Leipzig nahe zu bringen“. Durch seine
Kriminalisierung, in dessen Folge der Betrieb zerschlagen wurde, seien
60 Millionen Euro Anlagevermögen untergegangen und 8000 Arbeitsplätze –
so viele ABM-Kräfte und Sozialhilfeempfänger hatte der bfb in seinen
Hochzeiten Ende der 90er Jahre – zerstört worden.
Aber auch er selbst hat viel einstecken müssen. Hinter ihm liegt der
längste Prozess in Sachsens Justizgeschichte. Vor wenigen Tagen siegte
Hermanni, der 1999 in Untersuchungshaft kam und seit September 2005
wieder als Leitender Verwaltungsdirektor bei der Stadt Leipzig arbeitet,
auch im letzten Beschwerdeverfahren der Staatsanwaltschaft. Er muss sich
nicht an den Gerichtskosten beteiligen. Hermanni stehe die volle
Entschädigung zu, entschied das Oberlandesgericht Dresden. Das könnten
samt Schmerzensgeld und Anwaltskosten über 200 000 Euro werden.
Alle Strafanzeigen gegen die Staatsanwaltschaft hatten indes keinen
Erfolg. „Die sind sogar alle befördert worden“, meint er und blickt
plötzlich ganz ernst. Ja, er glaube, der Prozess habe einen politischen
Hintergrund. „Der bfb und sein Erfolg haben gestört“, sagt er und das
klingt wie ein Peitschenhieb. Beweisen könne er das aber noch nicht.
Doch er werde weiter daran arbeiten. Die Stadt Leipzig schulde ihm auch
noch 120 000 Euro, da sie sechs Jahre lang nur 70 Prozent seines
Gehaltes gezahlt habe.
Er werde wie Phönix aus der Asche aufsteigen, hatte der Ex-bfb-Chef
während des Gerichtsmarathons gebetsmühlenartig gesagt. Jetzt sei dies
so gut wie eingetreten. Hermanni spricht nun von Generalabrechnung.
Dabei geht es nicht nur um Geld, sondern auch um Revanche. Wenn die
hohen Summen fällig werden, so seine Rechnung, werde man in den Behörden
aufhorchen und nachfragen, wer daran schuld sei. Dann müssten Köpfe
rollen. Um das zu erreichen, ist er offenbar gut gerüstet. „Meine
Forderungen an die Stadt Leipzig habe ich im September angemeldet“,
erzählt er und unter- drückt ein Lächeln. „Seither habe ich keinen Cent
gesehen und keine Antwort erhalten.“ Was er als Nächstes tun will,
verrät er nicht. „Sie können aber davon ausgehen, dass ich nicht weiter
tatenlos abwarte.“
Was Hermanni seinen Gegnern vorwirft, ist Stoff für einen Gerichtsroman.
Gefälschtes Beweismaterial, auf dem sich die Anklage aufbaute.
Hausdurchsuchung mit 70 Beamten des Landeskriminalamtes. Verschwundene
Ordner zu seinem privaten Hausbau, die ihn von Anbeginn hätten entlasten
können. U-Haft. Kaution in utopischer Höhe von anfangs 800 000 D-Mark,
später 250 000 D-Mark. Er spricht von Freiheitsberaubung, Ermittlungen
ohne Anfangsverdacht, Zeugenbeeinflussung…
Ohne fremde Hilfe und 140 000 eigene Euro für seine Rechtsanwälte würde
er jetzt hinter Gittern sitzen. Juristisch habe er gesiegt und damit
auch ein Stück Glauben an den Rechtsstaat zurückerworben. Jetzt müssen
nur noch seine Gegner ihre Strafe erhalten. Ehe das nicht erreicht ist,
will er keine Ruhe geben.
Andreas Dunte