Tippach: Es ist nichts zurückzunehmen
Lothar Tippach ist Fraktionschef der Linkspartei im Rathaus und hat
als Leiter des Aktenuntersuchungsausschusses den Niedergang des früheren
Leipziger Betriebes für Beschäftigungsförderung (bfb) untersucht. Er ist
gegen den erneuten Aufbau eines großen städtischen Players in der
Arbeitsmarktpolitik.
Frage: Sie haben den Aktenuntersuchungsausschuss zum bfb
geleitet und sind dabei zu einem anderen Schluss gekommen als die
deutsche Justiz. Ihr Bericht belastet bfb-Chef Matthias von Hermanni.
Haben Sie es sich zu leicht gemacht?
Lothar Tippach: Nein! Wir haben uns mit den Vorwürfen der
Staatsanwaltschaft an Herrn von Hermanni in keiner Weise beschäftigt.
Das durften wir gar nicht. Es war als Akteneinsichtsausschuss nicht
unser Auftrag. Ich kann Herrn von Hermanni nur beglückwünschen, dass es
ihm gelungen ist, die Vorwürfe vom Tisch zu bringen. Wir haben uns
damals mit der Wahrnahme der Verantwortung der Stadtverwaltung, der
Betriebsleitung und des Betriebsausschusses für den bfb in den Jahren
1991 bis 2001 befasst und Schlussfolgerungen für künftiges Handeln
vorgeschlagen.
Aber von Hermanni ist doch in Ihrem Abschlussbericht alles andere als
gut weggekommen?
Das betraf nicht nur Herrn von Hermanni. Im Abschlussbericht steht
unter anderem, dass ein langfristiges beschäftigungspolitisches Konzept
fehlte, der Führungsstil des 1. Betriebsleiters von tolerierten
Eigenmächtigkeiten geprägt war und die Organisation nicht den
Bedingungen eines Betriebs dieser Größe entsprach. Wie bekannt ist, gab
es unter anderem auch Disziplinarverfahren gegen den damaligen
Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee und den Beigeordneten Andreas
Müller. Der Abschlussbericht wurde übrigens durch den Stadtrat
einstimmig bestätigt.
Sind diese Vorwürfe auch noch aus heutiger Sicht aufrecht zu
erhalten?
Davon ist nichts zurückzunehmen. Es sei denn, die Akten wären
inhaltlich nicht korrekt gewesen. Dafür gibt es jedoch keine Hinweise.
Haben Sie bei Ihren Untersuchungen Matthias von Hermanni angehört?
Nein, wir waren kein Untersuchungsausschuss, sondern ein
Akteneinsichtsausschuss.
Mit von Hermannis Nachfolgern sollen Sie aber gesprochen haben ...
Der Ausschuss hat in Übereinstimmung mit OBM Tiefensee gearbeitet.
Dabei wurde vereinbart, welche Verwaltungsmitarbeiter einbezogen werden.
Die damaligen Leiter des bfb gehörten als Verwaltungsmitarbeiter
zeitweise dazu.
Haben Sie alle Dokumente gesehen?
Ich gehe davon aus. Alle Akten, die wir sehen wollten, soweit sie
nicht bei der Staatsanwaltschaft lagen, haben wir vom OBM erhalten. Es
gab zu keiner Zeit eine Verweigerungshaltung des OBM.
Es soll eine so genannte Umbuchungsliste gegeben haben, mit der
nachträglich 19 Millionen Mark als Verlust in von Hermannis Amtszeit
eingebucht wurden.
Dieser Vorwurf wurde damals untersucht und dazu auch die
Wirtschaftsprüfer gehört. Sie haben uns begründet, dass die vorgenommene
Leistungsabgrenzung der Jahre 1999 und 2000 nicht zu beanstanden war.
Ihre Aussage war eindeutig: Die Jahresschlussrechnungen des bfb wurden
nicht nachträglich schön gerechnet.
Andere Großstädte bereiten sich auf eine Kommunalisierung der
Langzeitarbeitslosen vor und wollen sie selber wieder beschäftigen.
Braucht Leipzig das nicht auch?
Es ist doch sichtbar, dass Hartz IV mit dem Grundsatz des Förderns
und Forderns gescheitert ist. Es fehlt an Arbeitsplätzen vor allem auf
dem 1. Arbeitsmarkt. Den 50 000 Arbeitslosen in Leipzig werden in diesem
Jahr höchstens 3000 ABM-Stellen angeboten werden. Das sind weniger als
zehn Prozent der fehlenden Stellen. Ich kann gegenwärtig kein Konzept,
keine Organisationsstruktur und auch nicht die notwendigen finanziellen
Mittel erkennen, die dieses Verhältnis relevant nach oben verbessern
könnten. Aber das ist dringend erforderlich.
Könnte ein neuer bfb für Leipzig Sinn machen?
Wir haben einen bfb, den Kommunalen Eigenbetrieb Engelsdorf. Er hat
sich gut entwickelt und soll in diesem Jahr 1000 ABM-Stellen erhalten.
Das ist für mich die oberste Grenze des organisatorisch Möglichen, um
nicht wieder den bfb-Effekt zu erzeugen.
Könnten Sie sich einen Sozial-Beigeordneten Matthias von Hermanni
vorstellen?
Nein. Ein Sozial-Beigeordneter hat neben dem Sozialbereich vor allem
Kinder-, Jugend- und Schulpolitik sowie Gesundheitspolitik zu
bearbeiten. Herrn von Hermannis inhaltliche Ansätze dafür kenne ich
nicht. Außerdem hat er gegenwärtig eine sehr wichtige Aufgabe in der
Stadtverwaltung bei der Vorbereitung des neuen Finanzsystems zu leisten.
Dabei kann er seine organisatorischen und Verwaltungserfahrungen
erfolgreich einbringen.