Telefax (vorab): 03 41/21 41-200
Landgericht Leipzig
Strafkammer
Postfach 100 964
04009 Leipzig
00188/01 S / WE
Leipzig, 28.03.2002
In dem Strafverfahren
./. Matthias von Hermanni u.a.
- 11 KLs 900 Js 56086/97 -
nehmen wir zu den Beweisanträgen der Staatsanwaltschaft Leipzig
vom 25.03.2002 wie folgt Stellung:
1.
Die Staatsanwaltschaft beantragt die Vernehmung der Aufsichtsratsmitglieder
der GBG Helga Pfeil, Niels Gormsen, Peter Kaminski, Christian-Albert
Jacke und Dr. Hans-Jürgen Treffkorn, zum Beweis für die angebliche
Tatsache, dass der Aufsichtsrat der GBG keine Zustimmung dazu gegeben
hat, dass auf Kosten des Vermögens der GBG die Schaffung von Anlagevermögen
und die Finanzierung von Personalkosten zugunsten des ABM-Stützpunktes
erfolgen soll.
Hierzu ist festzustellen, dass der Beweisantrag der Staatsanwaltschaft
mit dem Verfahren gegen Matthias von Hermanni u.a. insofern nichts zu
tun hat, als den Angeklagten Beschlussfassungen des Aufsichtsrats sowohl
in positiver als in negativer Hinsicht unbekannt sind. Selbst wenn also
die zu beweisende Tatsache als wahr unterstellt werden würde, würde
sich hieraus kein vorwerfbares Verhalten der Angeklagten ergeben.
Allenfalls könnte die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen auf
im hiesigen Verfahren vernommene Zeugen ausdehnen, was allerdings nicht
Gegenstand des Strafverfahrens gegen Matthias von Hermanni u.a. ist.
2.
Die Staatsanwaltschaft beantragt zum Beweis für die Tatsache, dass
der Angeklagte Clausnitzer am 09.07.1993 gegenüber der GBG/WEP
ein Angebot für Abrissarbeiten übergab, in dem er Abrisskosten
einschließlich Entsorgung sowie Pauschalpreise für Maschineneinsatz
der Preisfindung zugrunde legte, die Verlesung des Leistungsverzeichnisse
der Firma Dorsch Consult und die Verlesung des Ordners 25 GNO Abrechnung
vorzunehmen.
Eine Verlesung von Beweismittelordnern oder Leistungsverzeichnisses
wird in das Ermessen des Gerichts gestellt. Die Staatsanwaltschaft trägt
allerdings nicht vor, in welchem Zusammenhang das vermutete Beweisergebnis
mit der Anklageschrift oder der Entscheidung stehen soll. Das Gericht
ist nicht verpflichtet, einer bedeutungslosen Beweistatsache nachzugehen,
die selbst wenn es einen Zusammenhang geben würde
die Entscheidung irgendwie beeinflussen könnte.
3.
Gleiches gilt für den Beweisantrag Ziff. 3, wonach die Auftragsvergabe
an den ABM-Stützpunkt am 08.03.1993 durch die GBG auf der Grundlage
eben dieses Angebots erfolgt sein soll, in dem es heißt: ...
Aufgrund Ihrer Kostenschätzung von 4.250.000,00 DM (ohne Mehrwertsteuer)
erteilen wir Ihnen den Auftrag ... gemäß den übergebenen
Leistungsverzeichnissen. ....
Die Staatsanwaltschaft möge bevor diesem Beweisantrag nachgegangen
wird darlegen, wie dieser Antrag mit der Anklageschrift in Einklang
zu bringen ist.
Auf Seite 43 der Anklageschrift heißt es:
... Die Ermittlungen ergaben, dass der ABM-Stützpunkt einen Kostenrahmen
in Höhe von letztlich insgesamt 6.900.000,00 DM zur Verfügung
hatte, nachdem dieses Budget mehrfach erhöht worden war. Es wurde
nicht überschritten. ...
Wenn die Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift bereits aufgrund des
Ermittlungsergebnisses von einem Budget von 6.900.000,00 DM ausgeht,
ist unerheblich, ob der vorherige Kostenrahmen 4.250.000,00 DM betrug.
4.
Der Beweisantrag der Staatsanwaltschaft, den Ordner 10 b vom 20.3.2002
der Stadt zu verlesen zum Beweis dafür, dass in der Berechnung
der Zeugin Naumann (die am 13.04.1994 ein Guthaben für den ABM-Stützpunkt
von etwa 395 TDM ausweist) Personalkosten und tatsächlich entstandene,
von der WEP bezahlte Entsorgungskosten von dem Guthaben nicht abgezogen
wurden, ist ebenfalls mit der Anklageschrift nicht in Einklang zu bringen.
In der Anklageschrift, S. 50, heißt es:
... Eigene Kosten (Betriebskosten und Wartungskosten sowie Personalkosten)
pflegte der bfb ausschließlich gegenüber dem Arbeitsamt abzurechnen
(Beiakten 23-30). ...
Zu verlesen wären dann wohl neben dem Ordner 10b auch die Beiakten
23-30. Allerdings kann das Ergebnis dahingestellt bleiben. Selbst wenn
die Beweiserhebung die von der Staatsanwaltschaft unterstellten Behauptungen
erhärten würde, wäre dies nicht entscheidungserheblich,
denn eine Budgetüberschreitung war auch nach der Anklageschrift
nicht festzustellen. Wenn das Budget nicht überschritten ist, fehlt
es am Schaden.
5.
Die Staatsanwaltschaft beantragt weiter die Vernehmung der Zeugen Dr.
Böckenförde, Dr. Koppe, Till und Wilke zum Beweis für
die Tatsache, dass eine Bezahlung der durch den ABM-Stützpunkt
zu erbringenden Arbeiten deren vorherige Erfüllung voraussetzte,
also keine Vorleistungen des Auftraggebers beinhaltete.
Dieser Beweisantrag unterstellt, dass es Vorleistungen des Auftraggebers
gegeben hat. Die bisherige Beweisaufnahme hat jedoch gerade das Gegenteil
ergeben. Die bisherigen Vernehmungen der Zeugen Dr. Böckenförde
und Dr. Koppe hat ergeben, dass zuvor erbrachte Leistungen (Abriss und
Beräumung) des ABM-Stützpunktes beglichen worden sind.
6.
Die Staatsanwaltschaft beantragte die Vernehmung des Zeugen Till zum
Beweis für die Tatsache, dass die am 10.09.1993 durch den Zeugen
Dr. Böckenförde erteilte Bevollmächtigung eine Möglichkeit
des ABM-Stützpunktes eröffnete, Dritte zu Lasten der GBG und
sodann der WEP für die Arbeiten des ABM-Stützpunktes zu verpflichten.
Dieser Beweisantrag ist unzulässig, weil der Zeuge Till eine rechtliche
Würdigung der Erklärung vom 10.09.1993 vornehmen müsste,
die vornehmlich dem Gericht, allerdings auch der Staatsanwaltschaft
obliegt. Die Staatsanwaltschaft möge zwischen rechtlichem Können
und rechtlichem Dürfen unterscheiden. Es ist unbestritten,
dass der ABM-Stützpunkt rechtlich in der Lage war, über das
Vermögen der WEP bzw. der GBG zu verfügen. Von dieser rechtlichen
Möglichkeit (rechtliches Können) hat der ABM-Stützpunkt
jedoch nicht Gebrauch gemacht. Im Innenverhältnis hat der Angeklagte
von Hermanni sich selbstverständlich auf den für den Abriss
notwendige Maßnahmen beschränken müssen und dies genau
getan.
7.
Die Staatsanwaltschaft beantragt zum Beweis der Tatsache, dass die Erforderlichkeit
der im Auftrag und für Rechnung der WEP bzw. GBG gemieteten Maschinen
für die beauftragten Arbeiten des ABM-Stützpunktes am Gewerbegebiet
Leipzig-Nordost durch WEP tatsächlich und auch inhaltlich kontrolliert
wurde, die Verlesung des Schreibens des Zeugen Till sowie die Protokolle
der operativen Bauberatung.
Dieser Beweisantrag kann als wahr unterstellt werden. Die bisherige
Beweisaufnahme hat ergeben, dass in der Tat die Erforderlichkeit der
im Auftrag und für Rechnung der WEP bzw. GBG gemieteten Maschinen
durch WEP tatsächlich und auch inhaltlich kontrolliert wurde. Die
gegenteiligen Einlassungen der Zeugen Till und Wilke glaubt offenbar
die Staatsanwaltschaft inzwischen nicht mehr.
Auch das Gericht geht in seinem Beschluss über die Aufhebung des
Haftbefehls der Angeklagten von Hermanni und Sobiak vom 26.03.2002 davon
aus, dass die Zeugenangaben der Zeugen Till und Wilke, sie hätten
nicht kontrolliert und insbesondere die Lieferung des Betonbrechers
nicht bemerkt, unglaubwürdig sind. Was die Staatsanwaltschaft mit
einer als wahr zu unterstellenden Tatsache zu beweisen beabsichtigt,
wäre allenfalls der Entlastungsbeweis für die Mitangeklagten
Fröhlich, Clausnitzer und Degenhardt.
Wenn die Staatsanwaltschaft in ihrer Begründung zum Beweisantrag
Ziff. 7 ausführt, dass die beantragte Beweiserhebung ergeben wird,
dass seitens WEP am 21.02.1994 Kosten für ein Notstromaggregat
sowie eine Schmutzwasserpumpe beanstandet wurden, da diese nicht für
den Auftrag angefallen seien, bestätigt dies nur die Einlassungen
des Angeklagten von Hermanni, der ausführte, dass der Zeuge Till
sogar ein Handy beanstandete.
Wenn die Staatsanwaltschaft allerdings hiervon überzeugt ist, gab
es eben keine Täuschung. Dennoch geht die Staatsanwaltschaft weiter
vom Gegenteil aus.
Die Aufrechterhaltung der Fiktion der Staatsanwaltschaft WEP/GBG hätten
nicht kontrolliert, sondern auf das tatsächliche Vorhandensein
des Betonbrechers und der Siebanlage vertraut, stellt eine klare Rechtsbeugung
gemäß § 336 StGB dar. Dort heißt es:
Ein Richter, ein anderer Amtsträger oder ein Schiedsrichter, welcher
sich bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache zugunsten oder
zum Nachteil einer Partei einer Beugung des Rechts schuldig macht, wird
mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren bestraft.
Tathandlung ist die vorsätzliche Rechtsbeugung, d.h. die bewusste
Verletzung des Rechts zugunsten oder zum Nachteil einer Seite. Eine
unbewusste Rechtsverletzung ist keine objektive tatbestandsmäßige
Handlung.
Die Staatsanwaltschaft versucht allerdings inzwischen nicht einmal mehr,
die fehlerhafte Rechtsanwendung zu verschleiern oder gar den Vorsatz
zu kaschieren, sie bringt offen zum Ausdruck, dass die Aufrechthaltung
der Haftbefehle unter allen Umständen zu erfolgen hat.
Unter Ziff. II. auf Seite 10 der Anträge der Staatsanwaltschaft
vom 25./26.03.2002 heißt es:
... Es wird ferner ausdrücklich beantragt, für die bevorstehenden
Beweisanträge vor einer Entscheidung der Kammer über die Aufrechterhaltung
der Haftbefehle gegen die Angeklagten von Hermanni und Sobiak zu befinden.
Die beantragten Beweiserhebungen werden insbesondere ergeben, dass der
nach wie vor bestehende dringende Tatverdacht weiter erhärtet wird.
...
Unter Ziff. III heißt es
... Weiter wird nochmals beantragt, über die Erweiterung der Haftbefehle
im Sinne der Anklagevorwürfe zu entscheiden. Dieser Antrag wurde
bereits mit Anklagerhebung gestellt ...
Obwohl keinerlei Haftgründe, weder der Fluchtgefahr noch der Verdunklungsgefahr
vorliegen, obwohl der Großteil der Zeugen gehört worden ist
und die Staatsanwaltschaft keine Tatsache vortragen konnte, wann oder
wo der Angeklagte von Hermanni etwa Zeugen beeinflusst haben will, hält
die Staatsanwaltschaft an der Aufrechterhaltung rechtswidriger Haftbefehle
wider besseren Wissens fest. Nichts anderes hat der Gesetzgeber in §
336 StGB unter Strafe gestellt.
8.
Die Staatsanwaltschaft beantragt zum Beweis für die Tatsache, dass
seitens der WEP hinsichtlich der nach dem Vermögenszuordnungsgesetz
gegenüber dem Bundesvermögensamt vorzunehmenden Abrechnungen
des Verkaufserlöses der Grundstücksflächen die Prüfung
der Erforderlichkeit der Abrissaufwendungen notwendig war. Hierzu wurde
die Vernehmung des zuständigen Sachbearbeiters des Bundesvermögensamtes
beantragt.
Der Beweisantrag Ziff. 8 kann als wahr unterstellt werden, da selbstverständlich
die Prüfung der Erforderlichkeit der Abrissaufwendungen notwendig
war.
Die Abrissaufwendungen wiederum wurden wie die Staatsanwaltschaft
in Beweisantrag Ziff. 7 darstellt von WEP/GBG geprüft und
dem Bundesvermögensamt vorgelegt. Sollte die Staatsanwaltschaft
Zweifel an der Darstellung der Erforderlichkeit der Abrissaufwendungen
durch die WEP/GBG gegenüber dem Bundesvermögensamt haben,
würden sich Ermittlungen gegen die Verantwortlichen von WEP oder
GBG anschließen müssen. Der Angeklagte v. Hermanni hat jedenfalls
dem Bundesvermögensamt gegenüber keinerlei Erklärungen
abgegeben bzw. abgeben können.
9.
Der Beweisantrag Ziff. 9, nämlich die Vernehmung der Zeugen Dr.
Koppe, Wilke, Till, Dinse und Dr. Böckenförde zum Beweis für
die Tatsache, dass die für WEP und GBG verantwortlich Handelnden
bei der Bezahlung der Mietrechnungen für Siebanlage Finlay 312
für September 1994 und des Radladers Zettelmeyer für August
1995 davon ausging, dass diese bereits Anfang September 1994 bzw. Anfang
August 1995 angeliefert und seitdem für die Maßnahme GNO
eingesetzt waren, widerspricht dem Beweisantrag Ziff. 7, wonach gerade
diese Kontrolle vor Bezahlung durchgeführt worden ist.
10.
Die Staatsanwaltschaft beantragt zum Beweis für die angebliche
Tatsache, dass der Geschäftsführer der GBG (Dr. Böckenförde)
bei der im Vergleich zum ursprünglichen Vertrag vom 03.08.1993
am 10.09.1993 getroffenen, für die GBG angeblich nachteiligen Vereinbarung
zuvor die Zustimmung des Aufsichtsrats der GBG nicht eingeholt hatte,
die Vernehmung von Aufsichtsratsmitgliedern sowie zum Beweis für
die Tatsache, dass der Geschäftsführer der GBG hierbei die
angeblich nachteilige Veränderung des Vertrags für die GBG
nicht erkannte und hierfür von dem Angeklagten von Hermanni auch
nicht ausdrücklich in Kenntnis gesetzt wurde, die Vernehmung des
Zeugen Dr. Böckenförde.
Ob der Zeuge Dr. Böckenförde die Zustimmung des Aufsichtsrats
der GBG eingeholt hat, war unerheblich, weil dies dem Angeklagten nicht
angelastet werden kann. Gesetzliches Organ einer GmbH ist der Geschäftsführer.
Welche Zustimmungserfordernisse dieser im Innenverhältnis einzuhalten
hatte, oblag nicht der Prüfung des Angeklagten von Hermanni.
Unabhängig hiervon unterstellt der Beweisantrag, dass am 10.09.1993
eine nachteiligere Vereinbarung überhaupt getroffen worden ist.
Nachteilig stellt ein Werturteil dar, das dem Zeugenbeweis
nicht zugänglich ist. Ob die Vereinbarung nachteilig war oder nicht,
obliegt der Beurteilung durch das Gericht.
Der Zeuge Dr. Böckenförde hat mehrfach in seiner Zeugenvernehmung
dargelegt, dass er Volljurist ist. Auch der weitere Zeuge Dr. Koppe
ist promovierter Volljurist. Den Zeugen zu unterstellen, sie könnten
Verträge nicht beurteilen und sollen dies auch noch aussagen, ist
eine schlichte Zumutung für die Zeugen.
Schurig
Rechtsanwalt