Zeugenvernahme
25.06.2002 9.35 Uhr
Bernhardt, Matthias
50 Jahre
Richter am AmtsgerichtBelehrung erfolgt, Aussagegenehmigung wurde erteilt
Nickel:
Herr Bernhardt, es geht um einen Haftprüfungstermin von Herrn Sobiak.
Können Sie sich erinnern an den Inhalt?
Bernhardt: Ich habe in Vorbereitung dieser Ladung die Akte kurz eingesehen,
das war ja im November 99, vor zweieinhalb Jahren, reichlich. An Einzelheiten
kann ich mich nach zweieinhalb Jahren nicht erinnern, ich kann nur auf
Fragen antworten.
Nickel: Können Sie sich allgemein erinnern, an Herrn Sobiak vielleicht?
Bernhardt: Also, ich war ja schon vorhin vorm Saal....ich kenne ihn
nicht von Angesicht. Ich nehme an, dass das Herr Sobiak ist...
Meschkat: Na ja, das ist ja auch der einzige ohne Robe
Bernhardt: ...und Herrn von Hermanni kenne ich ja.
Nickel: Zum Haftprüfungstermin waren Polizeibeamte, können
Sie sich erinnern, an der Vernehmung dabei.
Bernhardt: Also, ich habe diese oder vorige Woche Einsicht in die Akte
genommen. Herr Sobiak wurde am 18.11.99 festgenommen in Hannover. Der
Haftprüfungstermin war vereinbart für den 15.12.99, 11.00
Uhr laut Protokoll. Der Termin hat erst um 15.40 Uhr mit der Staatsanwaltschaft
im Amtsgericht stattgefunden, auf Veranlassung der Staatsanwaltschaft.
Es hat wohl vorher mit LKA und Steuerfahndung ein Termin stattgefunden.
Nickel: Ist es üblich, dass die Polizeibeamten das Protokoll aufnehmen?
Bernhardt: Normalerweise nicht.
Nickel: Ja, zu Herrn Sobiak, können Sie sich noch erinnern über
sein Gemütsverfassung oder Ähnliches?
Bernhardt: Ja, also, ich habe diesen Artikel dort gelesen, der in der
Zeitung veröffentlicht war. Ich habe keine Erinnerung an Details.
Ich gehe an Vernehmungen immer vorurteilsfrei ran. Vernehmungen finden
bei mir immer in sachlicher Atmosphäre statt. Wenn ein Beschuldigter
vorgeführt wird, steht noch keine Entscheidung fest, ich bin immer
offen. Das erste, was ich mache, ist eine ausführliche Belehrung.
Jeder Angeklagte wird ausführlich belehrt. Ob ein Geständnis
schon gemacht wurde, wird von mir dann nicht beachtet.
Nickel: Im Protokoll ist enthalten Band 7, Blatt 1090. Ich halte Ihnen
auszugsweise vor: " Ich verweise auf meinen Schriftsatz vom 19.11.99..............".
Können Sie sich noch erinnern, welcher Absatz Gegenstand der Haftprüfung
war?
Bernhardt: Also aus den zeitlichen Angaben, aus dem Protokoll und was
sich offenbar aus der Akte ergibt, muss es so gewesen sein, dass man
15.40 Uhr angefangen und 16 Uhr es beendet wurde. Der Staatsanwalt hat
mir die Akte vorgelegt, weiter habe ich keine Erinnerung.
Nickel: Das ging ja um ein Schreiben des Verteidigers, dass soll ja
eine Aussage des Verteidigers gewesen sein. Wollen Sie dazu noch mal
Stellung nehmen, fällt Ihnen dazu noch was ein?
Bernhardt: Also, im Protokoll steht drin, dass die Sach- und Rechtslage
erörtert wurde. Bei mir ist das allgemein so, das jeder noch mal
mündlich vortragen kann.
Nickel: Ich halte weiter vor: "Zu Beginn der Vernehmung heißt
es..." Haben Sie da noch nähere Erinnerungen daran, welchen
Inhalt diese Vernehmung hatte?
Bernhardt: Die Vernehmung ist mir damals noch vorgelegt worden, ich
habe noch mal in die Akte eingesehen. Die Vernehmung des LKA dauerte
bis 15.35 Uhr, der Termin hat um 15.40 Uhr begonnen, war 16 Uhr zu Ende,
das ist technisch kaum machbar, die letzten haben das Protokoll wohl
draußen auf dem Gang noch unterschrieben. Das ist ungewöhnlich,
das muss ich schon sagen. An Einzelheiten, nein, kann ich mich nicht
erinnern.
Nickel: Zur Allgemeinen Verfahrensweise. Für den Fall das der Beschuldigte
ein Geständnis abgelegt hat, bei der Staatsanwaltschaft, bei Polizeibeamten,
findet das dann Eingang in die richterliche Haftprüfung nach Ihren
Erfahrungen? Kann dann der Haftbefehl aufgehoben werden?
Bernhardt: Also ich habe doch schon versucht, das deutlich zu machen.
Zum Haftprüfungstermin lasse ich mich nicht davon leiten, ob ein
Geständnis gemacht wird oder nicht. Das ist eigentlich für
den Haftentscheid nicht so relevant.
Nickel: Es ist ein Unterschied, ob ein Geständnis vor einem Richter
oder einem Staatsanwalt abgegeben wurde. Deshalb die Frage, ist das
ein Hinweis für die Beschuldigtenvernehmung, das sich der Angeklagte
eingelassen hat?
Bernhardt: Also, ich muss natürlich sagen, aus dem Protokoll .......
. Wenn der Staatsanwalt einen Antrag stellt, kommt das Gericht dem nach.
Das war im Prinzip schon damals klar, wenn der Staatsanwalt den Antrag
stellt, deshalb ist das Protokoll recht knapp.
Nickel: Deshalb meine allgemeine Frage nach der Üblichkeit, wenn
es solch eine Üblichkeit gibt?
Bernhardt: Es gibt auch andere ausführliche Protokolle. Ich hatte
nicht den Eindruck, dass der Angeklagte einen bedrückten Eindruck
machte oder unter Druck gesetzt war.
Nickel: Ist Ihnen mitgeteilt worden, von der Staatsanwaltschaft oder
wem auch immer, der Grund, warum sich der Termin verzögert hat?
Bernard: Ich glaube mich erinnern zu können, dass die Staatsanwaltschaft
eine Beschuldigtenvernahme vornimmt und das es sich verzögert.
Wir sind nicht unbedingt erfreut, wenn sich das so hinausschiebt. Es
ist üblich, dass um 11 Uhr jemand erscheint. Ich kann mich erinnern,
dass der Verantwortliche Herr Gast gewesen ist, ich nehme an, dass wir
informiert wurden.
Nickel: Können Sie sich erinnern von wem dieser Hinweis bei der
Staatsanwaltschaft kam, war das mündlich oder schriftlich?
Bernhardt: Also, bis mir die Akte vorgelegt wurde in diesem Verfahren,
das geht technisch nicht, es gibt Einzelfälle.......
Nickel: Tja, vor dem Haftprüfungstermin gab es da Anträge
oder Vorschläge von der Staatsanwaltschaft oder der Verteidigung,
gab es Gespräche über mögliche Entscheidungen?
Bernhardt: Also, das geht doch gar nicht vom Verfahren her. Normalerweise
wird die Akte vorgelegt mit der Stellungnahme des Staatsanwaltes.
Nickel: Ich halte weiter vor, es heißt im Protokoll......Können
Sie sich noch erinnern, wann der Termin festgesetzt wurde, wie viele
Tage vorher? Eingegangen war das Schreiben am 01.12., angesetzt war
der Termin am 15.12, also innerhalb der 2 Wochen Frist.
Bernhardt: Also da muss es eine Verfügung geben, einen Vermerk
beim Eingang des Haftprüfungsantrages. Ich mache den Termin nicht
selber, der wird mit der Geschäftsstelle abgestimmt. Es ist drin,
das es manchmal über bestimmte Fristen hinausgeht.
Nickel: OK, also grundsätzlich 14-Tage Frist. Ich halte Ihnen weiter
vor: Inaugenscheinnahme Bd 7, Blatt 1072, Antragseingang, handschriftlicher
Zusatz
Bernhardt: Ja, also, wenn also ein Beschuldigter...Der handschriftliche
Eintrag ist von meiner Geschäftsstelle. Wir stellen immer fest,
wann der in Leipzig eintrifft und dann beginnt die 14-Tage-Frist.
Nickel: Herr Bernhardtt, es ist wohl diese Verfügung, ich halte
auszugsweise vor, Blatt......, Sie können das ja auch noch mal
in Augenschein nehmen. In Augenscheinnahme Die Verfügung
trägt das Datum 22.11.99? Wie ist das zu erklären?
Bernhardt: Also, ich bin nun schon paar Jahre Haftrichter. Zeitliche
Verschiebungen sind nicht außergewöhnlich. Die Staatsanwaltschaft
muss sich verständigt haben, dass die Vernehmung stattfindet...
.
Nickel: Ja gut, dann tragen die Nachrichten an die Staatsanwaltschaft
das Datum 02.12.99, Es ist keinem Hinweis zu entnehmen, dass sich die
Vernehmung verzögert. Dann kam es zur Verzögerung von 11.00
Uhr auf 15.40.Uhr. Die Verzögerung erscheint mir außergewöhnlich.
Ein Haftprüfungstermin der langfristig angesetzt wird und sich
dann verzögert. Können Sie uns das erklären?
Bernhardt: Ja, das wird eine Ausnahmesituation gewesen sein.
Nickel: Es kann also mal auftreten, nach Festnahme. Aber bei einem Haftprüfungstermin
der länger angesetzt ist, gibt es eher selten eine Verschiebung.
Fleiner: Sie haben vorhin gesagt, habe ich mir zumindest so notiert,
dass Sie als Gericht immer dem Antrag des Staatsanwaltes nachkommen.
Auf was bezieht sich das denn?
Bernhardt: Wenn die Staatsanwaltschaft beantragt, den Haftbefehl auszusetzen,
muss ich dem nachkommen. Na ja ich handhabe es jedenfalls so. Genauso
verfahre ich beim Antrag auf Haftbefehl.
Hartung: Können Sie sich erinnern, ob Sie überhaupt
irgendwelche Fragen bei dem Haftprüfungstermin an Herrn Sobiak
gestellt haben?
Bernhardt: Wer? Ich?
Hartung: Ja.
Bernhardt: Ich habe doch schon gesagt, das ist zweieinhalb Jahre her,
ich kann nicht sagen, ob ich ihm Fragen gestellt habe. Dem zeitlichen
Ablauf glaube ich entnehmen zu können, dass das Protokoll auf dem
Flur unterzeichnet wurde.
Hartung: Wissen Sie noch was kurz vor dem Haftprüfungstermin zwischen
mir, Ihnen, und Herrn Gast besprochen wurde?
Bernhardt: In meinem Zimmer?
Hartung: Ja.
Bernhardt: Ich kann noch nicht mal sagen, ob wir drei uns zeitlich unterhalten
haben.
Hartung: Können Sie sich noch erinnern an Probleme mit der Kaution?
Bernhardt: Im Nachhinein kann ich sagen, der Termin war am 15.12., außer
Vollzug gesetzt wurde dann am 17.12. Ich nehme an; dass es eine Rolle
gespielt hat, ob eine Kaution festgesetzt wird und in welcher Höhe.
Ich könnte mir diesen Grund vorstellen, habe aber keine Erinnerung.
Es war sehr ungewöhnlich, die Situation war sehr angespannt.
Hartung: Das wäre meine nächste Frage gewesen, was der Grund
für die verzögerte Entscheidung war.
Bernhardt: Daran kann ich mich nicht erinnern.
Hartung: Können Sie sich noch an die Verzögerung und an ein
Gespräch vorab erinnern?
Können Sie sich noch erinnern, dass ich Sie vorher in Ihrem Büro
angesprochen habe?
Bernhardt: Ich kann mich nicht daran erinnern, dass Sie mich angesprochen
hätten.
Hartung: Können Sie sich noch erinnern, was der Grund war den formellen
Haftprüfungstermin zu verschieben?
Bernhardt: Also, das kann ich nur annehmen, ich weiß nicht mehr,
wer mir das mitgeteilt hat, vielleicht der Staatsanwalt.
Hartung: Ich kann mich noch erinnern, dass Ihnen der Termin 11.00 Uhr
aus irgendwelchen Gründen unangenehm war.
Bernhardt: Also, unsere Termine sind eigentlich sonst in der Regel knapp
festgelegt.
Hartung: Waren Sie bei der Vernehmung von Herrn Sobiak zu irgendeinem
Zeitraum dabei?
Bernhardt: Daran habe ich keine Erinnerung.
Nickel: Noch weitere Fragen an den Zeugen?
Meschkat: In diesem Zusammenhang habe ich keine Fragen. Würden
Sie Fragen, die meinen Mandanten betreffen, gestatten?
Nickel: Nein, Herr Bernhardt ist nur zum Themenkomplex des Herrn
Sobiak geladen.
Fleiner: Wir wissen auch nicht, ob die Aussagegenehmigung auch
darauf beziehen würde.
Meschkat: Herr Bernhardt, haben Sie anlässlich des Termins, des
abgestimmten, die Akten komplett vorgelegt bekommen, haben Sie die Akten
gelesen oder Gelegenheit gehabt sie zu lesen, am gleichen Tag oder vorher?
Haben Sie bestimmte Beweismittel gewürdigt?
Bernhardt: Also, normalerweise ist es in der Regel so, dass die Staatsanwaltschaft
aufgefordert wird, die Akten nach Klärung abzugeben mit einer Stellungnahme
und Anträge zu stellen. Ich glaube mich erinnern zu können,
dass mir erst an diesem Tag die Akten vorgelegt worden sind.
Meschkat: War das viel oder war es wenig, war es ein Band oder kistenweise?
Wie viele Akten waren es denn?
Bernhardt: Das kann ich nicht sagen. Als der Haftantrag gestellt wurde,
waren es mehrere Leitzordner.
Meschkat: Ist im Rahmen der Vorbereitung des Termins Herr Gast persönlich
bei Ihnen vorbeigekommen? Gab es ein Vier-Augen-Gespräch?
Bernhardt: keine Antwort
Meschkat: Haben Sie das Schreiben "Hallo Jürgen" zur
Kenntnis genommen?
Bernhardt: Dieses Schreiben ist mir vor Ausstellung des Haftbefehl bekannt
gewesen.
Meschkat: Durch was ist es Ihnen bekannt geworden? Haben Sie es selbst
zur Kenntnis genommen oder ist es Ihnen zur Kenntnis gegeben worden?
Bernhardt: Also, die Akten werden vorgelegt mit Anträgen. Es kommt
schon mal vor, dass der Staatsanwalt auf dieses und jenes hinweist,
manchmal mit einem Anruf.
Meschkat: Ja, wir haben vorher gehört, dass während des Termins
ein Telefonat geführt wurde. Können Sie daran erinnern, das
von Ihrem Telefon ein Gespräch mit Dresden geführt wurde von
Herrn Gast?
Bernhardt: Ich kann nicht sagen, ob ein Telefonat geführt wurde,
ob Herr Gast mit Dresden telefoniert hat, ob ich zu diesem Zeitpunkt
im Zimmer war. Ich war nicht erfreut, dass die Beschuldigtenvernahme
fünf Minuten vorher stattgefunden hatte und ich dann die neue Lage
kurzfristig entscheiden musste.
Meschkat: Ist auf Sie Einfluss genommen worden, in Bezug auf Entscheidungen
des Herrn Sobiak, von Außenstehenden, Behörden?
Bernhardt: In dem gesamten Strafverfahren gab es den Vorwurf, es wäre
eine Verschwörung und aus Dresden gesteuert. Es gibt keine Fakten,
bis heute nicht. Bei mir, der ich schon zu DDR-Zeiten Richter war, wird
niemand versuchen, auf mich Einfluss zu nehmen.
v. Hermanni: Sie sagen, Sie können sich an "Hallo Jürgen"
gut erinnern. Ich bitte das Gericht Herrn Bernhardt das Schriftstück
zu zeigen und Herrn Bernhardt um Bestätigung, dass es sich um das
vermeintliche Original - die kopierte Fälschung - handelt. Es handelt
sich hier ja auch um das Dokument, welches entscheidend war für
den Erlass des Haftbefehls.
Bernhardt: Nee, nee.
v.Hermanni: Doch, doch. So steht es doch auch in den Beschlüssen
der Gerichte.
Inaugenscheinnahme Dokument "Hallo Jürgen" vom 20.07.94
Meschkat: Haben Sie an diesem Dokument etwas festgestellt?
Bernhardt: Das kam mir damals schon komisch vor. Ich könnte mir
vorstellen, das es zusammengeklebt ist.
v. Hermanni: Das LKA Sachsen hat uns hier ja berichtet, dass die
sich nicht in der Lage sehen, kriminaltechnische Untersuchungen bei
Kopien anzustellen. Das sieht man zwar jeden Tag im Fernsehen, was alles
technisch möglich ist, aber die Truppe ist ja hier in Sachsen elf
Jahre nach der Wende dazu nicht in der Lage. Was können Sie dazu
sagen, ich habe Ihnen auch eine Lupe mitgebracht, damit sie es besser
erkennen. Wir sehen das Dokument so heute zum ersten Mal.
Nickel: Nehmen Sie die Lupe vom Tisch! Herr von Hermanni, nehmen
Sie die Lupe vom Tisch!
v.Hermanni: Schade.
Bernhardt: Ich bin schon damals davon ausgegangen, dass das Schriftstück
kopiert und zusammengeklebt worden ist.
Nickel: Noch weitere Fragen an den Zeugen. Wird auf die Vereidigung
verzichtet?
Meschkat: Er muss noch zu weiteren Themen befragt werden, deshalb
kann er nur vorläufig entlassen werden.
Nickel: Der Zeuge wird vorläufig entlassen.
Ende der Zeugenvernahme 10.20 Uhr